Hans Leo Bader ist langjähriges Vorstandsmitglied der Deutschen Umweltstiftung, Stadtentwickler, Verleger und leidenschaftlicher ökologischer Kommunalpolitiker. In unserem Interview blickt er zurück auf die Zeit in der Stiftung und stellt seine aktuelle Initiative „Netzwerk Rechte der Natur“ vor.
Lieber Hans Leo, wir freuen uns, dass du als langjähriges Vorstandsmitglied die Aktivitäten der Deutschen Umweltstiftung gestaltest. Was sind deine Beweggründe, dich ehrenamtlich für den Natur- und Umweltschutz zu engagieren?
Mir ist im Rahmen meiner unternehmerischen Tätigkeiten irgendwann bewusst geworden, dass vieles, was im täglichen Business als selbstverständliche Entwicklung wahrgenommen wird, nicht wirklich nachhaltig ist.
Vor knapp 15 Jahren habe ich begonnen, diese Tätigkeiten aufgrund dieser Erkenntnis in eine ökologisch verträgliche Richtung zu gestalten. Zudem wurde mir die ökologische Krise, in der wir uns befinden, immer mehr bewusst. Dies hat meinen Wunsch nach wirksamen Engagement ungemein verstärkt. Deswegen suchte ich nach einem Verband, in dem ich mich entsprechend engagieren konnte. Leider waren alle Angebote in dieser Richtung immer rein auf den wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet und die Nachhaltigkeit eher schmückendes Beiwerk.
2012 bin ich auf die Deutsche Umweltstiftung gestoßen, in den Wirtschaftsrat eingetreten und seit 2014 auch Mitglied des Vorstandes. Bedingt durch meine Tätigkeiten in der Stiftung startete ich die Initiative „Rechte der Natur – Das Volksbegehren“ in Bayern.
Im letzten Jahr hast du unser digitales Fachgespräch „Ist unser Recht naturverträglich“ organisiert. Darin ging es um die Frage, ob der Natur einklagbare Rechte zugestanden werden sollen. Wie siehst du das?
Es wird viel über eine Transformation unseres Systems geredet, teilweise sogar davon, das System zu entwurzeln. Ich glaube, dass wir mit unserem bestehenden demokratischen System eine gute Basis haben, die wir weiterentwickeln können und müssen.
Genauso wie sich die Wissenschaft in den letzten 300 Jahren immer mehr in die Richtung des ganzheitlichen Denkens entwickelt und erkannt hat, dass alles miteinander eng vernetzt zusammenhängt, muss sich aus meiner Sicht auch unser Recht weiterentwickeln. Professor Dr. Klaus Bosselmann hat es wunderschön zum Ausdruck gebracht: „Nicht die Natur braucht Rechte, sondern wir Menschen brauchen möglicherweise Rechte für die Natur, damit wir uns unserer Verantwortung bewusst werden, die wir im gesellschaftlichen und politischen Handeln als Teil der Natur haben.
International ist diese Entwicklung bereits ziemlich weit, unter anderem auch organisiert im Programm der Vereinten Nationen: Harmony with Nature. Hier wird von erdzentriertem Recht gesprochen, das in einer zunehmenden Zahl von Ländern weltweit in das nationale Recht aufgenommen wird. In einigen Fällen hat die Justiz staatliche Maßnahmen gefordert, um die Rechte von Flüssen, Wäldern oder Gletschern zu bestätigen oder wiederherzustellen, während in anderen Fällen kommunale oder lokale Gesetzgebungsorgane die Rechte der Natur oder Mutter Erde anerkannt haben. Die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit der Natur auf der Grundlage von Gewohnheitsrecht oder indigenem Recht ist ein Beispiel für die zunehmende Akzeptanz der Kosmogonie der indigenen Völker im westlichen positiven Recht.
Du engagierst dich auch im bundesweit agierenden „Netzwerk Rechte der Natur“. Was sind eure Ziele?
Im Netzwerk „Rechte der Natur“, das seinen Sitz in Hamburg im Haus der Zukunft hat, haben sich im Frühsommer 2021 Juristen und Juristinnen, Experten und Expertinnen, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen, um gemeinsam einen konkreten Vorschlag für eine Grundgesetzreform zu erarbeiten. Denn trotz ausufernder Umweltschutzgesetzgebung und -bürokratie ist es in den letzten Jahrzehnten nicht gelungen, das Artensterben, die Zerstörung vieler Ökosysteme sowie die Klimakrise in Deutschland und weltweit zu stoppen. Diese Weiterentwicklung unseres Grundgesetzes ist aus Sicht der am Beratungsprozess Beteiligten, keine hinreichende, wohl aber für eine zwingend notwendige Voraussetzung zur Lösung der ökologischen Krise.
Der vor kurzem fertiggestellte Vorschlag für eine Grundgesetzreform wird jetzt vom Netzwerk am 22.4.2022 in einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt. Die Pressekonferenz wird live gestreamt.
Was steht als Nächstes an?
Die Initiative entwickelt sich zurzeit ziemlich dynamisch. Wir arbeiten an den Entwürfen für Volksbegehren in weiteren Bundesländern. In Bayern planen wir eine Tour durch verschiedene Städte. Wir sind dazu mit verschiedenen Bürgerinitiativen u. a. auch aus dem Naturschutzbereich in Kontakt, die die Initiative unterstützen und in ihrem Umfeld vorstellen wollen.
In Baden-Württemberg wird es im Rahmen des dort in der Planung befindlichen Volksbegehrens im Juni eine Podiumsdiskussion zum Thema Rechte der Natur geben – veranstaltet von der Akademie der Diözese Rottenburg -Stuttgart.
Anmerkung der Redaktion: Alle Informationen über die geplanten Aktivitäten sind abrufbar unter: www.dubistdieer.de
Über den Interviewpartner
Hans Leo Bader, Stadtentwickler, Verleger und leidenschaftlicher ökologischer Kommunalpolitiker in München engagiert sich aktiv in vielen nachhaltigen Projekten: Mit seinem Netzwerkteam gelang es ihm, den Zusammenhang zwischen Ressourcenschutz, Gebäudeherstellung, Städtebau, Verkehr, Flächen- und Energieverbrauch sowie den ernstzunehmenden Bedürfnissen der Benutzer*innen einer Stadt neu darzustellen. Im Rahmen dieser „SonnenCityProjekte“ sollen – ohne staatliche Förderung – grüne, lebendige, emissionsfreie Innenstadt-Energieplus-Quartiere mit individuellen bezahlbaren Wohn- und Gewerbehäusern als verkehrsminimierende Alternative zu Wohnhäusern in Randbezirken entwickelt werden.