Green Design – Motor für den Wandel von Stephan Bohle

Die entscheidende Frage lautet: Wie schnell bekommen wir einen Wandel hin, weg von einer Gesellschafts- und Wirtschaftsform, die das Naturkapital der Erde vernichtet und verschwendet, hin zu einer Gesellschaft, die nachhaltig ist und sich im Einklang mit der Natur befindet?

Um es mit Weizsäcker deutlich zu sagen: „Entweder lernt die Menschheit, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten der Begrenzung der Erde anzupassen und nachhaltig mit der Erde umzugehen, oder die „Umwelt“ schlägt zurück und lässt das Menschengeschlecht zugrunde gehen.“

Dass ein Wandel nötig ist, ist daher keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Und die Zeit drängt, deshalb geht es in der Frage auch nicht um das ob, sondern um das „wie schnell“. Neben allen politischen Maßnahmen (der Einsatz von Ordnungs- und marktwirtschaftlichen Instrumenten), die getroffen werden müssen, kann Design eine tragende Rolle spielen.

Design und Müll

Ich gehe dabei von einem umfassenden Designbegriff aus. Heute ist Design im zunehmenden Maße für das eigentliche Wesen der Produktion von Bedeutung. Neben dem Design von alltäglichen Objekten (Gebrauchs- und Luxusgüter) werden Lebensmittel, Städte, Landschaften, Nationen, Kulturen, Körper, Gene und Natur designt.

80% des Umwelteinflusses von Produkten, Gebäuden, etc. wird bereits während des Designprozesses festgelegt. 
DesignerInnen müssen das wissen und ihre damit verbundene Verantwortung erkennen. Das gleiche gilt auch für die Ausbildungsstätten der DesignerInnen, den Designschulen.

In Deutschland gibt es gerade einmal ein einziges Institut, dass Ecodesign/Green Design als Hauptstudiengang anbietet: Die von Karin-Simone Fuhs 1994 gegründete private Designschule ecodesign in Köln. Design hat sich leider in der Vergangenheit allzu oft für das genaue Gegenteil einer nachhaltigeren Lebensweise einsetzen lassen, in dem es den Massenkonsum angeheizt, eine falsche Produktpolitik mit eingebauter Obsoleszenz unterstützt und für einen Müllstrom ohne gleichen gesorgt hat. 99% aller Konsumgüter enden im Durchschnitt nach nur 6 Monaten auf dem Müll.

Im Jahr 2007 produzierte der Amerikaner 254 Millionen Tonnen Müll, von denen lediglich 85 Millionen Tonnen – also etwa ein drittel – receycelt wurden. Von den etwa 42 Millionen Tonnen Haushaltsabfällen in Deutschland, die jährlich anfallen, werden laut BMU 64% wiederverwertet. Der Rest wird verbrannt, deponiert oder landet in der Natur und in den Weltmeeren. Design und Werbung hat eine Wirtschaft unterstützt, die dafür gesorgt hat, das die Menschen ihre geistige Befriedigung und ihr Selbstwertgefühl im Konsum suchen. Und das in immer schnellerem Tempo. Design und Werbung läßt sich neuerdings auch noch von vielen Unternehmen instrumentalisieren, sich das grüne Mäntelchen der Nachhaltigkeit umzuhängen und unterstützen sie beim sogenannten Greenwashing.

Wie kann Green Design zum Motor für den notwendigen Wandel werden? Zunächst müssen die richtigen (Design-)Fragen gestellt werden: Welches Produkt oder welche Dienstleistung wird verlangt, was brauchen wir wirklich und wie kann man es mit niedriger Umweltbelastung zur Verfügung stellen?

DesignerInnen müssen lernen, in Systemen zu denken und die richtigen Fragen zu stellen, um zu möglichen Gestaltungsoptionen und -lösungen zu kommen. Diese wesentliche Kompetenz muß schon in den Ausbildungsstätten vermittelt werden und unterscheidet sich von einer alten Designlehre und Designauffassung, die nur die Behandlung der Oberfläche im Fokus hatte. Zukünftige Designstrategien sollten ausgerichtet sein auf Ressourcen- und Energieeffizienz (weniger Materialverbrauch, weniger Energieeinsatz), Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit (ohne Qualitätsverlust) und auf Kreislaufsysteme (keine Produktion von Müll). Designstrategien können mit innovativen Ideen eine Dienstleistungswirtschaft unterstützen, bei der nicht der Besitz, sondern der gewünschte Nutzen im Vordergrund steht. Design hat die wichtige Aufgabe, den Diskurs über einen nötigen Kultur- und Wertewandel zu begleiten.

Design muss Bewusstsein schaffen Laut einer EU Studie aus dem Jahre 2008 erklärten 34% der europäischen Bürger, dass sie gerne etwas unternehmen würden, aber nicht wissen, was sie tun sollen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Ungefähr ein Viertel der Befragten ist der Meinung, dass es keinen Einfluss auf den Klimawandel haben wird, wenn sie ihr Verhalten ändern und 15% sind überzeugt, dass es zu teuer wäre, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Aus der Studie ging auch hervor, das Befragte, die sich über den Klimawandel (seine Ursachen, Konsequenzen und die Möglichkeiten, ihn zu bekämpfen) informiert fühlen, öfter Maßnahmen einsetzen, um diesen zu bekämpfen, als Befragte, die sich schlecht informiert fühlen. Wenn Information eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltiges Handeln darstellt, dann resultiert daraus eine neue Verantwortlichkeit für das Kommunikationsdesign. Es hat die Aufgabe, auf intelligente Art und Weise Aufklärung zu betreiben, die Menschen zu informieren und sie für eine nachhaltigere Lebensweise zu begeistern. Beispielhaft kann man die Arbeiten der von dem Filmemacher Ralf Schmerberg gegründeten „Not-for-Profit-Anti-Agency“ Mindpirates anführen, die großartige Infotainmentkampagnen für das Energieunternehmen entega konzipieren.

Letztes Jahr begeisterten sie die Berliner Bevölkerung mit der Schneemann-Kampagne und die Hamburger mit einem faszinierenden Rieseniglo, gebaut aus gebrauchten Kühlschränken.

Design kann helfen, das Leben in den Städten nachhaltiger und gesünder zu machen (durch intelligente Stadtplanung, einer energiesparenden, energieproduzierenden und lebenswerten Architektur, durch lokale Versorgungssysteme, attraktive öffentliche Plätze als Treffpunkt- und Veranstaltungsmöglichkeiten, etc.).

Design kann ein Motor des Wandels werden, wenn sich seine Protagonisten ihrer Verantwortung stellen und die neuen Designgenerationen in Green Design ausgebildet werden. Um es abschließend mit dem Denker und Philosophen Peter Sloterdijk zu sagen: „Designer und Architekten (…) sind die Helden des 21. Jahrhunderts. Sie setzen auf Konzepte wie Cradle-to-Cradle, ein verfahrensorientiertes Design, das Gesamtrechnungen aufstellt und sich nicht mehr mit Endproduktästhetik begnügen.“

 


 

Autoreninformation: Stephan Bohle gründete 2008 den grünen Think Tank futurestrategy. Stephan Bohle ist Mitglied in der Gesellschaft für Nachhaltige Ökonomie und des Beirats der Deutschen Umweltstiftung.

Dieser Beitrag wurde erstmals im Nachhaltigkeits-Magazin GLOCALIST veröffentlicht.