Eine Hypothek auf die Zukunft von Michael Müller

In Warschau fand im November 2013 ein weiterer Akt eines poli- tischen Dramas statt: Auf der 19. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (COP 19) zeigte sich erneut die Verlogenheit der globalen Klimadebatte. Statt ehrgeizige Beschlüsse zu fassen, wurden Entscheidungen erneut auf die Zukunft vertagt. Die Situation in Warschau war schizophren: Auf der einen Seite wurde bei der 19. Weltklimakonferenz mit großer Betroffenheit die Todesspur beklagt, die der Monstertaifun „Haiyan“ vor wenigen Wochen über die philippinische Inselwelt und besonders die Hafenstadt Tacloban gezogen hat. Auf der anderen Seite stand schon vor Beginn der Konferenz fest, dass es keinen Durchbruch geben wird. Es blieb so, wie es auf fast allen UN-Klimakonferenzen war: In einer halbherzigen Schlusserklärung wird wieder mal die vage Hoffnung geäußert, dass im nächsten Jahr der Durchbruch ganz gewiss erreicht würde. Eine Hoffnung, die noch nie erfüllt wurde. Im Gegenteil: Seit 1992 sind die klimaschädlichen CO -Emissionen um rund 40 Prozent gestiegen.

Diesmal fand die Konferenz in Polen statt, in dem EU-Land, das wie kaum ein anderes auf die Verstromung von Kohle setzt, um Wettbewerbsvorteile auch auf Kosten der Natur zu erreichen. Nur eins war in der polnischen Hauptstadt etwas anders: Viele Nichtregierungsorganisationen haben den Klimazirkus nicht mehr mitgemacht und einen Tag vor dem offiziellen Ende den Tagungsort verlassen.

Für einen effizienten Klimaschutz muss das fossile Zeitalter beendet werden. Das erfordert eindeutige und verbindliche Emissions-Obergrenzen, die von Jahr zu Jahr ehrgeiziger werden und deren Nichteinhaltung weltweit sanktioniert werden muss. Der Emissionshandel muss entweder grundlegend überarbeitet oder durch eine wirksame Öko-Steuer ersetzt werden.

Für die EU ist bis zum Jahr 2030 mindestens eine Verringerung der Emissionen um 40 Prozent notwendig. Das ist nur zu erreichen, wenn es eine klare Angebotskontingentierung von Öl und Kohle gibt und die EU im Wettbewerb gegen Umweltdumping die Außengrenzen schützt. Ein Grenzsteuer- ausgleich wäre ein denkbarer Weg. Aber nur wenn es eine gemeinsame Strategie der Mitgliedsstaaten gibt, kann die EU eine glaubwürdige Vorreiterrolle einnehmen. Bisher ist der 2007 unter deutscher Ratspräsidentschaft durchgesetzte Beschluss, bis zum Jahr 2010 die Energieeffizienz um 20 Prozent zu erhöhen, 20 Prozent Energie einzusparen und die Erneuerbaren Energien in allen drei Einsatzbereichen zu erhöhen, kaum umgesetzt. Deshalb muss Schluss sein mit immer neuen Vergünstigungen oder Befreiungen für die Industrie, die Umverteilungen zu Lasten der Verbraucher sind. Notwendig ist das gezielte Erschweren der Einfuhr von Billigwaren, die unter umwelt- und klimaschädigenden Bedingungen produziert werden und deren Folgen – wie zuletzt der Taifun „Haiyan“ auf den Philippinen gezeigt hat – vor allem die ärmsten Regio- nen der Erde treffen.

Notwendig ist ein Ende des Klimatheaters, das die Politik unglaubwürdig macht. Der Klimaschutz muss auf eine neue Basis gestellt werden. Darum geht es. Mit einer ehrgeizigen Klimaschutzpolitik kann unser Land zeigen, dass es zu den notwendigen Innovationen fähig ist.

Der Autor des Textes, Michael Müller, war 26 Jahre lang Bundestagsabgeordneter, parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium und ist heute Vorsitzender der „Naturfreunde“.