Als Horst Stern gemeinsam mit 62 anderen Menschen, darunter Günter Altner, Erhard Eppler, Günter Grass, Bernhard Grzimek, Hans Günter Schumacher und Udo Simonis, im Juni 1982 den Aufruf zur Gründung der Deutschen Umweltstiftung veröffentlichte, begann eine einmalige Erfolgsgeschichte. Bis heute sind über 3.500 Menschen diesem Aufruf gefolgt und Stifter der Deutschen Umweltstiftung geworden. Mit ihr begann auch das damals Deutschland unbekannte Modell der Bürgerstiftung seinen Siegeszug. Heute existieren über 300 meist kommunale Bürgerstiftungen in Deutschland.
Die Deutsche Umweltstiftung nahm 1982 ihre Arbeit auf. Horst Stern feierte in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag und hatte schon zahlreiche Jahre seines Wirkens hinter sich.
Horst Stern, der nicht nur maßgeblich zur Gründung unserer Stiftung beitrug, sondern über Jahrzehnte hinweg eine der lautesten und überzeugendsten Stimmen für den Umweltschutz war, erblickte 1922 in Stettin die Welt. Sein Weg zum Journalismus – und zum Umweltschutz – war kein direkter. Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann wurde er in die Wirren des Weltkrieges verstrickt. Er überlebte seinen Kriegsdienst, landete in amerikanischer Kriegsgefangenschaft, entwickelte sich dort zum Dolmetscher und war auch nach seiner Entlassung noch einige Zeit für die US-Armee in Deutschland tätig. Bei der Stuttgarter Zeitung begann sein Einstieg im Journalismus – als Gerichtsreporter.
Seine Liebe zur Natur konnte er schließlich zunächst als Produzent von Schulfunksendungen beruflich einbringen. Eine Tätigkeit, die zeitlebens seinen Aufklärungsstil prägen sollte. Auch als er ab 1969 seine Sendung „Sterns Stunde“ im deutschen Fernsehen präsentieren konnte, prägte diese ein sehr sachlicher, Faktenorientierter, aber intellektuell scharfer Stil. Ganz anders als sein Kollege und Konkurrent Bernhard Grzimek präsentierte er keine entspannten Plaudereien in Begleitung von Tiger- oder Schimpansenbabys im Studio. Horst Stern ging dahin, wo es wehtut, er zeigte, was wehtat und er präsentierte es auch so. Er schrieb Mediengeschichte, indem er Zirkushaltung beobachtete, den Ekel vor Spinnen nahm, die Überzüchtung von Hunden aufdeckte, die Überpopulation von Hirschen als waldschädlich geißelte. In den Dokumentationen zeigte Stern einerseits die eindrucksvolle Schönheit der heimischen Fauna. Andererseits übte er nachhaltig Kritik am menschlichen Umgang mit Tieren. Sein investigativer Naturjournalismus machte ihn bundesweit bekannt.
Er wollte nicht unterhalten, er wollte aufrütteln, und es frustrierte ihn, dass ihm das trotz seiner 26 Filme noch zu wenig gelang. Das führte schließlich dazu, dass er sich auch organisationspolitisch auf die Seite der Umwelt- und Tierschützer schlug. Er wurde zum Mitbegründer des Bund für Umwelt und Naturschutz und eben auch der Deutschen Umweltstiftung – dazu fand er sich dann auch mit Bernhard Grzimek zusammen.
Mit seiner eigenen Zeitschrift „natur“ schrieb er unermüdlich gegen eine naturvergessene und naturverachtende Welt an.
Seine scharfe, analytische Kritik galt nicht nur anderen. Er schonte auch sich selbst nicht. Als er 1998 in einem Zeitzeugeninterview im Fernsehen zu seinem Lebenswerk befragt wurde, sagte Horst Stern: „Ich habe eigentlich immer nur in den Köpfen und Herzen der Ohnmächtigen etwas bewirkt, in den Köpfen der Mächtigen so gut wie gar nichts.“
Mit Horst Sterns Tod verliert die Bundesrepublik eine bedeutende Figur in der Geschichte des deutschen Umweltschutzes. Seine Fähigkeiten als herausragender Journalist, verknüpft mit seiner ökologischen Überzeugung, ließen ihn der Natur eine Stimme geben. Er warnte frühzeitig vor einem zerstörerischen Umgang mit ihr und prangerte Missstände an.
Sterns Wirken prägt den heutigen Umweltschutz. Auch wenn er seinen Einfluss selbst anzweifelte, trug er nachweislich dazu bei, den Umweltschutz aus den Köpfen weniger in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Sein Wirken hat nicht nur mich persönlich, sondern auch viele weitere Menschen ermutigt, sich aktiv als Umweltschützer zu engagieren und seine Ideale zu unterstützen.
Manchmal wünsche ich mir die Stimme von Horst Stern herbei. Er hätte sicher auch heute noch viel zu sagen. Ob Dieselskandal, Kohleausstieg, Klimaschutz, Ferkelkastration – noch immer bestimmen die Naturvergessenen und Naturverächter weite Teile der Gesellschaft, und noch immer könnte die scharfe Kritik eines Horst Stern Betroffenheit auslösen.
Es bleibt noch viel zu tun, zum Glück engagieren ich immer mehr insbesondere auch junge Menschen für seine, für unsere Ziele. Die gerade entstehende Klimastreikbewegung der Schülerinnen und Schüler sind nur ein Beispiel dafür. Nur wenige dieser jungen Menschen dürften den Namen Horst Stern kennen. Ich weiß, das wäre ihm egal. Er, der immer auf die junge Generation setze, hätte sich einfach nur gefreut.
Mit Horst Stern verlieren der Umweltschutz und die Deutsche Umweltstiftung einen ihrer ganz Großen. Es bleibt die Botschaft an uns alle: Was die Großen angefangen haben, müssen die Vielen vollenden.
Danke, Horst Stern!
Jörg Sommer
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Umweltstiftung