Vom Saulus zum Paulus? von Prof. Dr. Stefan Schaltegger

Sie verschmutzen die Umwelt, halten sich nicht an Sozialstandards und sind einzig an hohen Gewinnen interessiert – mit dieser zum Teil heftigen Kritik sehen sich etliche Unternehmen und Branchen immer wieder konfrontiert. Von den Massenmedien ausgeschlachtete Negativbeispiele können nicht nur die Reputation, sondern auch den Umsatz schmerzlich sinken lassen. Längst jedoch zeigt sich auch ein anderer Trend: Wer in der Lage ist, seine Produktion und Produkte sowie das Geschäftsmodell und die Lieferkette nachhaltig auszugestalten, kann spürbare Wettbewerbsvorteile erwirtschaften. Die Zeiten, in denen allein wirtschaftliche Aspekte für den Erfolg ausschlaggebend waren, sind vorbei. Nur ökologisch und sozial vorbildliche Unternehmen erweisen sich als relativ skandalresistent und können auch langfristig wettbewerbsfähig bleiben und durch nachhaltige Produkte und Dienstleistungen neue Zielgruppen erschließen. Solche Unternehmen avancieren damit selbst zu Triebkräften des Wandels hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft.

Entwickelt sich die Wirtschaft nun „automatisch“ vom Saulus zum Paulus? Wie die Auswertungen des Corporate Sustainability Barometers zum Praxisstand des Nachhaltigkeitsmanagements in Unternehmen zeigen, haben viele Unternehmen einen tiefgreifenden Wandel in Gang gesetzt, während andere noch sehr deutlich nachhinken. Auch Rückfälle sind zu verzeichnen. Deutlich wird, dass die notwendigen, tiefgreifenden Veränderungen hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft sowohl eines aktiven, wirksamen Nachhaltigkeitsmanagements als auch kreativer Köpfe bedarf, die den Wandel vorantreiben.

Die Erforschung und Umsetzung unternehmerischer Nachhaltigkeit steht im Fokus unserer Arbeit am Centre for Sustainability Management. Dabei erforschen wir nicht nur die Grundlagen des Nachhaltigkeitsmanagements, sondern entwickeln auch Methoden zur wirksamen und effizienten Umsetzung. Wir befassen uns mit Fallstudien, der Messung von Nachhaltigkeit, dem Management von Stakeholder-Beziehungen, ethischen Aspekten und der Weiterbildung von Führungskräften. Mit dem weltweit ersten sowie in Umfang und Ausrichtung einzigartigen MBA-Programm zu Nachhaltigkeitsmanagement bilden wir Persönlichkeiten aus, Nachhaltigkeit unternehmerisch umzusetzen. Dabei setzen wir in dem berufsbegleitenden Fernstudium auf eine hohe Flexibilität und einen regen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis.

Neuartige Managementherausforderungen

Bei der Realisierung von Nachhaltigkeitszielen stehen Unternehmen vor mehreren Herausforderungen: Sie müssen ihre ökologische und soziale Leistung steigern, effizienter wirtschaften und das Ganze auch noch miteinander integrieren. Dies gelingt nur, wenn die Unternehmensleitung in der Lage ist, sogenannte „Business Cases for Sustainability“ zu schaffen. Ein Business Case for Sustainability ist nur dann gegeben, wenn durch vermehrte freiwillige Umwelt- und Sozialmaßnahmen der Unternehmenserfolg gestärkt wird. Dazu müssen zuerst ökologische und soziale Leistungen freiwillig erbracht werden, um eine nachhaltige Entwicklung zu befördern, die wiederum dann so gestaltet werden muss, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gesteigert wird. Dies ist klar zu unterscheiden von einem opportunistischen Verhalten, bei dem Nachhaltigkeitstrends in Märkten wirtschaftlich genutzt werden. Das Konzept eines wohlverstandenen unternehmerischen Nachhaltigkeitsmanagements zielt damit auf den Schutz der Umwelt und auf gesellschaftliche Verantwortung als Grundlage für unternehmerischen Erfolg.

Angesichts des hohen Anspruchs des Unterfangens ist das Management sowohl inhaltlich und methodisch als auch in der Personal- und Organisationsentwicklung gefordert. So geht es in Sachfragen einerseits darum, Potenziale für nachhaltige Produktinnovationen zu erkennen, Märkte zu erschließen, ressourcenschonende Produktionsverfahren zu entwickeln, Nachhaltigkeitsleistungen zu messen, Lieferketten zu gestalten und Geschäftsmodelle neu auszurichten. Andererseits steht die Unternehmensleitung vor der Aufgabe, die Mitarbeitenden zu motivieren, ihren Blick für Nachhaltigkeitsfragen zu schärfen und Gruppenprozesse so zu unterstützen, dass eine nachhaltige Organisationsentwicklung in Gang gesetzt und beibehalten wird.

Es bleibt die Frage: Wie lässt sich das alles in die Praxis umsetzen?

Gefragt: Agenten des Wandels

Dafür braucht es „Agenten des Wandels“ – Leute, die eine nachhaltige Unternehmensentwicklung als Chance begreifen und über das methodische Rüstzeug sowie die Soft Skills verfügen, um den Wandel aktiv mitzugestalten. Aus diesem Grund bieten wir seit 2003 den MBA Sustainability Management an.

Das Fernstudium vermittelt zunächst fundiertes Wissen zum komplexen Themenfeld des Nachhaltigkeitsmanagements. Dabei geht es sowohl um betriebswirtschaftliche Aspekte, wie Nachhaltigkeitsmarketing und -innovationen, Sustainable Supply Chain Management, die Messung unternehmerischer Nachhaltigkeit oder Social Entrepreneurship als auch um die betriebswirtschaftlichen Grundlagen wie beispielsweise Organisation, Marketing, Projektmanagement und Finanzierung. Im Studium wird nicht nur über Nachhaltigkeitsmanagement geredet, sondern die Studierenden werden dazu befähigt, Veränderungen und Projekte tatsächlich in Bewegung zu setzen. Auf dem Programm des MBA stehen daher ebenso überfachliche Kompetenzen wie Teamentwicklung, freie Rede und Rhetorik, Entscheidungsfindung oder Verhandlungsführung. In Fallstudien und Workshops wird geübt, wie Nachhaltigkeitsmanagement zum persönlichen und unternehmerischen Erfolg beitragen kann. Auf der Lernplattform und während der Präsenzveranstaltungen findet zwischen Studierenden und Absolventen ein reger Austausch statt. Inzwischen hat sich daraus ein einmaliges und höchst wirkungsvolles globales Netzwerk gebildet. Zu Studienende werden in einem einwöchigen Unternehmensworkshop praktisch umsetzbare Lösungen für die komplexen Nachhaltigkeitsherausforderungen von Unternehmen erarbeitet und so das erlernte Wissen in der Praxis angewendet.

MBA-Studierende verbinden Wissenschaft und Praxis

In einem Workshop bei der Lufthansa AG entwickelten MBA-Studierende beispielsweise den weltweit ersten „Carbon Footprint“ für das Airline-Catering. Dazu berechneten sie die CO2-Emission, die durch das Bereitstellen einer Mahlzeit an Bord entsteht. Arbeiten vor Ort und unter hohem Zeitdruck, Abstimmung im Team und die Präsentation der Ergebnisse vor einer Expertenjury – für die MBA-Studierenden stellt der Workshop eine intensive Lernerfahrung dar, von der auch die teilnehmenden Unternehmen profitieren. In den Workshops können die Studierenden das Unternehmen vielleicht nicht grundlegend neu erfinden, doch geben sie wichtige Impulse für einen langfristigen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit.

Expertise für den Wandel ist in allen Organisationsbereichen gefordert

Nachhaltigkeit ist inzwischen in allen Unternehmensbereichen angekommen und kein reines PR-Thema mehr. Gefragt sind deshalb Expertinnen und Experten aus allen Bereichen – Produktdesign und -entwicklung, Logistik, Event-Management, Produktion, Kommunikation und Strategie. Dies äußert sich auch in den beruflichen Hintergründen der MBA Studierenden: von Marketingexpertinnen, Ethnologen, Ingenieuren und Entwicklungshelferinnen bis hin zu Profisportlern – die Palette ist breit gefächert.

Ihnen bieten sich nach dem Studium nicht nur persönlich neue Perspektiven und Möglichkeiten, die eigene Karriere voranzubringen. Vor allem haben sie das notwendige Wissen, die Fähigkeiten, das Netzwerk und die Motivation, Nachhaltigkeit in Unternehmen so zu verankern, dass sie damit auch die Gesellschaft grundlegend nachhaltig verändern.

Prof. Dr. Stefan Schaltegger ist u.a. Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre und Leiter des Centre for Sustainability Management (CSM) sowie Beiratsmitglied der Deutschen Umweltstiftung.

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