Von individuellen Sprüngen zu kollektiven Regimen von Lena Partzsch

Die Zerstörung unserer Umwelt bedeutet eine Verknappung lebenswichtiger Ressourcen. Viele warnen deshalb vor Konflikten und Kriegen. Oft wird der Nahe Osten angeführt, wo Konflikte um das Wasser von Euphrat, Tigris und Jordan auf der einen Seite die These von der Konfliktträchtigkeit grenzüberschreitender Ressourcen stützen.

Auf der anderen Seite ist gerade im Umweltbereich eine gesteigerte zwischenstaatliche Kooperation um Ressourcen wie Wasser zu beobachten. Inzwischen hat die internationale Kooperation mehr als 200 Umweltabkommen und eine Fülle institutioneller Strukturen zu ihrer Überwachung, Durchsetzung und Stärkung hervorgebracht.

Global Governance

Weil sich Regierungen ihrer gegenseitigen Vulnerabilität zunehmend bewusst geworden sind, haben Umweltthemen einen festen Platz auf der globalen Politikagenda erhalten. In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Umweltpolitikforschung viel über die Entstehung, die Effektivität und – vor allem in letzter Zeit – die Gerechtigkeit internationaler Umweltregime erfahren. Umfassende wissenschaftliche Studien zu deutschen Erfolgen und Defiziten im internationalen Vergleich sind entstanden.

Der Fokus der Forschung verschob sich dabei zusehends von der zwischenstaatlichen Politik zu Prozessen von Global Governance, die nicht-staatliche Akteure wie transnationale Konzerne und Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) miteinschließen: Welche neuen Steuerungsformen sind in der Lage, anhaltenden Problemen von Umwelt- und Ressourcenzerstörung zu begegnen?

Beim Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 wurden neben den regulären zwischenstaatlichen Abkommen (Typ 1) erstmals auch Abkommen mit dem Privatsektor und zivilgesellschaftlichen Akteuren zu den offiziellen UN-Gipfelergebnissen gerechnet – als so genannte „Typ 2-Partnerschaften“.

Water for Life

Am illustrativen Fall der EU-Initiative „Water for Life“ (EUWI) mit ihren vier regionalen Komponenten (Afrika, Lateinamerika, Mittelmeerraum sowie Staaten Osteuropas, des Kaukasus und Zentralasiens) habe ich Fragen der Effektivität und demokratischen Legitimität solcher öffentlich-privaten Partnerschaften untersucht. Im Ergebnis zeigte sich, dass Typ 2-Partnerschaften tatsächlich eine Chance für effektive und legitime Global Governance bieten. Die nicht-staatlichen Akteure brachten neues, notwendiges Know-how ein, während die staatlichen Akteure treibende Kraft blieben, was die demokratische Legitimität der Initiativen weitgehend gewährleistete. Gleichwohl stießen die Partnerschaften im Wassersektor an deutliche Grenzen. Ein entscheidendes Defizit bestand darin, dass sie sich auf die unmittelbaren Wasserakteure beschränkten, d.h. auf private Wasserversorgungsunternehmen und NGOs, die speziell zur Wasserthematik arbeiteten. Wassernutzer und –verschmutzer wie insbesondere die Landwirtschaft wurden nicht systematisch einbezogen. Ohne deren Bereitschaft zum Wandel können freiwillige Instrumente jedoch allenfalls punktuell wirken. Eine grundlegende Transformation lösten die Partnerschaften deshalb nicht aus.

Big Jump

Gegenwärtig gelten vielen „Social Entrepreneurs“ als neue Hoffnungsträger. Das sind engagierte Menschen, die sozialen und ökologischen Problemen mit innovativen Lösungen und unternehmerischen Mitteln begegnen. Meine Forschungsgruppe an der Universität Greifswald untersucht ihr Potenzial u.a. am Fall des mehrfach ausgezeichneten Social Entrepreneurs Roberto Epple.

Neben zahlreichen weiteren Projekten organisiert er mit dem von ihm gegründeten European Rivers Network den Europäischen Flussbadetag. Beim „Big Jump“ springen in ganz Europa tausende Menschen in ihre Flüsse, um für saubere Gewässer zum einen gegenüber Öffentlichkeit und Politik zu demonstrieren. Darüber hinaus ist Epple überzeugt, dass, wer im Fluss badet, diesen zum anderen selbst auch neu wahrnimmt und schätzen lernt. Würden Sie in Ihrem Fluss baden, das Wasser vielleicht sogar trinken? Es geht dem Social Entrepreneur darum, Umweltsünder nicht an den Pranger zu stellen, sondern sich mit ihnen gemeinsam für Gewässerschutz einzusetzen.

In Greifswald untersuchen wir Epples Ansatz in einem theoriebasierten „Life-Experiment“: Wir sprangen hier im letzten Juli in den lokalen Fluss, den Ryck, und werden auch dieses und nächstes Jahr wieder beim „Jump“ mitmachen, begleitet von Umfragen, Medienauswertungen und Wasserqualitätsanalysen. Dabei hat sich bereits gezeigt, dass zwar viele Greifswalder(innen) gerne in einem sauberen Ryck baden würden, dass es aber wesentlich schwerer ist, eine „Solidarität mit allen Flüssen Europas“ zu vermitteln.

Um die Umwelt wirksam zu schützen, müssen individuelles und kollektives, freiwilliges und verbindliches Handeln zusammenkommen. Während der Umweltschutz und nachhaltige Lebensstile in der öffentlichen Debatte ein Hoch erleben, blieb ein umfassender Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft bisher aus. Fragen des individuellen Verhaltens und freiwilliger Maßnahmen stehen im Mittelpunkt.

Dieser Diskurs um „best practice“-Partnerschaften und Social Entrepreneurship kann auf der einen Seite neue Impulse für eine umfassende, pro-aktive Politik zu geben. Er läuft aber auch  Gefahr, vom tatsächlichen Zustand der globalen Umwelt abzulenken. So hat die Bundesregierung bereits erklärt, dass die EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht fristgerecht umgesetzt wird – anstatt einzelne Vorbildprojekte aufzugreifen und in die Breite zu tragen. Während Deutschland in den Medien gerne als Vorreiter der internationalen Umweltpolitik gilt, ist es um die tatsächliche Qualität unserer Gewässer nicht optimal bestellt. Durch die Zunahme verantwortungsvoller Bürger(innen) entsteht jedoch eine Lobby für die Umwelt. „Hoffnung durch Handeln“, das Motto der Deutschen Umweltstiftung (DUS), bedeutet für mich, dass der Funke von diesen bewegten Individuen und Einzelprojekten überspringt zum Kollektiven, dass ihr Handeln zum Ausgangspunkt für weitreichendere, globale Veränderungen wird.

Autorinneninformation: Dr. Lena Partzsch ist seit 2009 stellvertretende Leiterin der sozial-ökologischen Forschungsgruppe GETIDOS an der Universität Greifswald.

Dieser Beitrag wurde erstmals im Nachhaltigkeits-Magazin GLOCALIST veröffentlicht.