Die Zeit ist reif für eine nachhaltige Finanzwirtschaft von Jörg Sommer

Anfang Juli hat die Deutsche Umweltstiftung gemeinsam mit Partnern aus Politik und Wirtschaft die erste internationale nachhaltige Rating-Stiftung gegründet. Aufgrund des regen Interesses in der Öffentlichkeit gab usner Vorstandsvorsitzender Jörg Sommer am 10. Juli auf Facebook in der Gruppe „Nachhaltiges Rating“ ein Online-Interview, das auch durch Nachfragen aus der Facebook-Gemeinde ergänzt wurde. Wir dokumentieren hier das rund 45-minütige Interview in voller Länge:

DUS: Herr Sommer, könnten Sie uns bitte zum Einstieg noch einmal kurz die Beweggründe der Deutschen Umweltstiftung erläutern, das Projekt „Nachhaltiges Rating“ ins Leben zu rufen, das jetzt ja zur Gründung der CARLO FOUNDATION geführt hat?

JS: Gerne. Die Deutsche Umweltstiftung sieht in der CARLO FOUNDATION die Möglichkeit, den nachhaltig orientierten Verbrauchern eine Orientierungshilfe im Dschungel des Finanzmarktes zur Verfügung zu stellen. Es geht also gleichermaßen um Verbraucheraufklärung und Verbraucherschutz.

DUS: Und welche Wirkung versprechen Sie sich auf dem Finanzmarkt?

JS: Da ist es natürlich mit einer nachhaltigen Rating-Stiftung alleine nicht getan. Da braucht man klarere Regeln und deutlich mehr Kontrolle. Auch die diskutierte Finanztransaktionssteuer kann dazu beitragen. Ebenso wie die CARLO FOUNDATION dabei helfen kann, dass nachhaltige Unternehmen und Finanzprodukte leichter Investoren finden und sich so am Markt durchsetzen.

DUS: Könnten Sie das Ganze bitte etwas näher erläutern? Wie sollen die angesprochenen Stiftungsziele erreicht werden?

JS: Das Interesse an nachhaltigen Finanzprodukten steigt. Das wollen wir mit Informationen und Aufklärungskampagnen unterstützen. Gleichzeitig werden wir den Bürgern klar – und vor allem unabhängig – sagen, welche Unternehmen und Anlagemöglichkeiten wirklich nachhaltig sind – und in welchem Umfang. Unser Ziel ist es, dass in möglichst vielen Bankgesprächen der Klein- oder Großanleger nicht nur nach den Zinsen fragt, sondern auch: „Wie nachhaltig ist denn diese Anlage?“

DUS: Sie sprachen auch davon, die Entwicklung eines nachhaltigen Finanzmarktes zu unterstützen. Wie soll das durch ein „Nachhaltiges Rating“ gelingen?

JS: Wir werden durch einen Mindeststandard geregelte Rahmenbedingungen schaffen. Den Anlegern soll die Unsicherheit in Bezug auf die Nachhaltigkeit einer Kapitalanlage genommen werden. Die CARLO Foundation arbeitet an einem entsprechenden Label, das den Anlegern, ähnlich wie der Blaue Umweltengel bei Produkten oder die viel diskutierte „Lebensmittel-Ampel“ klipp und klar sagt: „Das ist eine nachhaltige Anlage. Hier bringt dein Geld Zinsen UND bewirkt Gutes für Mensch und Natur.“

DUS: Das klingt alles sehr gut und sicher würde sich keiner gegen eine solche Entwicklung wehren. Viele Kleinanleger möchten tatsächlich nachhaltig anlegen, wissen aber leider nicht wie. Was möchte die CARLO FOUNDATION tun um das zu ändern und den Verbrauchern eine Orientierungshilfe zu geben?

JS: Die CARLO FOUNDATION wird ihr Kriterienset auf einen ganzheitlich nachhaltigen Ansatz stützen. Das bedeutet, dass als Basis die sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekte der Nachhaltigkeit dienen. Dieser Ansatz wird durch einen Multi-Stakeholder-Dialog in der Finalisierungsphase verfeinert. Wir stellen somit unseren Kriterienkatalog auf ein breites Fundament. Unser Ziel ist es durch diese Arbeitsweise einen anerkannten Mindeststandard bzw. eine allgemeingültige Definition für nachhaltige Finanzprodukte zu etablieren.

DUS: Sie sprachen auch davon, dass ihre Ratings glaubwürdig, unabhängig und transparent gestaltet werden. Wie möchten Sie dies sicherstellen?

JS: Durch den Einsatz eines unabhängigen Ratingkomitees mit Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft als letzte Ratinginstanz wollen wir die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit unserer Bewertungen sicherstellen. Die Ergebnisse der Ratings werden wir transparent dokumentieren und durch geeignete Label kenntlich machen. Wichtig ist uns dabei, dass unsere Ergebnisse – ganz anders als bei den großen US-Ratingkonzernen – wirklich nachvollziehbar sind. Und natürlich wird die CARLO FOUNDATION sich niemals selbst an Unternehmen oder Produkten beteiligen, die sie ratet.

DUS: Die Themen Transparenz und Glaubwürdigkeit spielen nicht nur bei den nachhaltigen Geldanlagen eine entscheidende Rolle. Generell wünscht man sich mehr davon im Finanzmarkt. Warum haben Sie die CARLO FOUNDATION in Liechtenstein angesiedelt und nicht in Deutschland? Mancher verbindet mit Liechtenstein ja auch das Thema Schwarzgeld?

JS: Die Regierung und auch der Bankenverband des Fürstentums Liechtenstein haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und sich mittlerweile für eine Entwicklung hin zu mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit entschieden. Außerdem hat sich Liechtenstein zu einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie bis 2020 bekannt. Liechtenstein ist der einzige Finanzplatz in Europa, der sich konsequent zu einem Kompetenzzentrum für eine nachhaltige Finanzwirtschaft entwickelt.

DUS: Für einige ist diese Neupositionierung schwerlich zu glauben, was würden Sie diesen Skeptikern entgegenhalten?

JS: Wir haben Liechtenstein seit geraumer Zeit beobachtet. Das sind zwischenzeitlich nicht mehr nur Bekenntnisse, es tut sich dort wirklich etwas. Liechtenstein ist schon lange kein Schwarzgeldparadies mehr. Entsprechende bilaterale Abkommen haben dafür gesorgt, dass sich Steuerflüchtlinge und korrupte Politiker anderswo nach einem sicheren Plätzchen für ihre Millionen umsehen müssen. So etwas was wie der Schwarzgeldskandal der CDU aus den 90er Jahren ist heute in Liechtenstein nicht mehr denkbar. Die CARLO FOUNDATION ist auch ein wirklich herausragendes Projekt, so dass wir überzeugt sind das unsere Beteiligung eine zusätzlich positive Wirkung haben wird. Wir alle sollten auch wissen und beachten, dass eine Entscheidung für mehr Nachhaltigkeit die Chance zum Wandel und das Lernen aus den Fehlern der Vergangenheit beinhalten.

DUS: Das sind alles wirklich interessante Punkte. Nur kann die Unterstützung der nachhaltigen Entwicklung Liechtensteins doch nicht der einzige Grund für die Ansiedelung der CARLO FOUNDATION in Liechtenstein gewesen sein.

JS: Natürlich nicht. Liechtenstein bietet für die CARLO FOUNDATION einige nicht zu verachtende strategische und geografische Vorteile. Durch den Stiftungssitz in Liechtenstein ist es möglich, aus der Mitte Europas heraus mit internationalen Partnern unabhängig von den großen Wirtschaftsmächten in Europa zu agieren. Die CARLO FOUNDATION kann somit ihren Anspruch als internationale Rating-Stiftung verwirklichen. Hätten wir die Stiftung in Deutschland angesiedelt, wäre das Partnern in Frankreich oder Großbritannien schwer zu vermitteln gewesen. Einen Sitz in London hätte wiederum Skepsis in Deutschland zur Folge gehabt. Ich denke, mit Liechtenstein können sich alle großen Nationen in der EU arrangieren.

Gruppenmitglied: Was werden die ersten Schritte der CARLO FOUNDATION sein?

JS: Zunächst einmal sind für die Zukunft Projektbüros in den verschiedenen EU-Ländern geplant. In Berlin haben wir in der letzten Woche das erste eröffnet. Weiter sollen folgen. Dann sind wir aktuell in Verhandlungen mit weiteren Trägern und Partnern. Unser Ziel ist es, Partner in möglichst viel EU-Ländern zu finden. Außerdem werden wir jetzt unter Hochdruck an der Entwicklung der Kriteriensets arbeiten, auch unter Einbeziehung dieser Gruppe hier. Parallel dazu werden wir eine neutrale so genannte „Machbarkeitsstudie“ in Auftrag geben, die ermitteln soll, wie eine solche Rating-Stiftung effektiv und transparent arbeiten kann. Wir haben also in den kommenden Wochen viel zu tun …

Gruppenmitglied: Das klingt für mich sehr vielversprechend. Die CARLO FOUNDATION wird also eine transparente Rating Agentur sein, welche die Nachhhaltigkeit von Projekten mit einbezieht. Zudem wird sie in ganz Europa vertreten sein.

JS: Das ist eine wunderbare Zusammenfassung unseres Zieles. Lasst uns alle gemeinsam daran arbeiten. Wir brauchen Unterstützung. Denn wir werden uns damit nicht nur Freunde machen.

Gruppenmitglied: Ich denke, dass Sie gerade hier aus der Gruppe mit starker Unterstützung rechnen können. 🙂 Sicherlich wird es schon am Anfang viele Feinde geben. Ich danke Ihnen, dass Sie uns hier einen ersten Überblick dazu geben konnten, welches Ziel sie eigentlich verfolgen.

DUS: Wir danken Ihnen auch für das Gespräch und die Anmerkungen. Ich denke, wir sind alle gespannt, wie die Entwicklung der CARLO FOUNDATION weitergeht und wie die anvisierten Ziele erreicht werden.

JS: Ja. Vielen Dank. Das war ein erstens Facebook-Interview – und es hat Spaß gemacht! Ich wünsche uns allen viel Erfolg.