Die vier Dimensionen gelingender Beteiligung von Jörg Sommer

Dimension 4: Emanzipation

Wenn ich in Beratungsprozessen gebeten werde, diese vierte Dimension gelingender Bürgerbeteiligung zu erläutern, stoße ich immer wieder auf Stirnrunzeln oder gar offenen Widerspruch. Der Begriff der Emanzipation steht in Deutschland noch immer unter Ideologieverdacht – und in Beteiligungsprozessen wird Ideologie, nicht ganz zu Unrecht, immer noch als Risikofaktor eingestuft. Doch vergegenwärtigen wir uns: Wir denken über neue Formate der Bürgerbeteiligung nach, weil unsere repräsentativ orientierte Demokratie an ihre Grenzen gestoßen ist. Würden die Entscheidungen unserer politischen und wirtschaftlichen Eliten widerspruchslos akzeptiert, gäbe es keine Attraktivität der Bürgerbeteiligung. Würde die formale Legitimierung repräsentativer Entscheidung genügen, um Akzeptanz zu sichern, würde ihre Qualität nicht hinterfragt, wäre Bürgerbeteiligung kein Thema. Die drei Dimensionen Legitimierung, Akzeptanz und Qualität allein reichen also nicht aus. Bürgerbeteiligung muss eine vierte Dimension berücksichtigen, wenn sie tatsächlich etwas zu den Herausforderungen unserer Gesellschaft beitragen will.

Es ist die Emanzipation der Bürgerinnen und Bürger vom Objekt politischen Elitenhandelns hin zum Subjekt politischer Prozesse, vom Zuschauer zum aktiv Gestaltenden. Erst wenn die Bürgerinnen und Bürger im Zentrum eines Beteiligungsprozesses stehen, wenn sie vom dramaturgisch verplanten Objekt zum Hauptakteur werden, dann kann ein Beteiligungsprozess gelingen. Denn wer als Anbieter eines Beteiligungsprozesses die Bürgerinnen und Bürger im Fokus hat, der versteht sich als Dienstleister und Ermöglicher eines ergebnisorientierten Diskurses, nicht als Regisseur einer Inszenierung.

Die emanzipative Ausrichtung ist ein Gradmesser für die Qualität des Prozesses und für die Ernsthaftigkeit der Veranstalter. Vor allem erleichtert sie in jeder einzelnen Detailfrage eines Verfahrens, vom Einladungsmanagement über die Ausgestaltung der Themenfindung bis hin zur Ergebnissicherung und die Besetzung eines eventuellen Begleitgremiums, die Entscheidungsfindung erheblich. Was immer die Wahrnehmung der Beteiligten als Gestalter des Prozesses fördert, ist gut, richtig und wichtig für das Verfahren.